Quilt-Blockade

Ich leide unter einer Quilt-Blockade.
In meinem Fall heißt das, dass ich zwar mehr kreative Ideen habe, als ich in drei Leben stopfen könnte. Gleichzeitig kann ich mich aber auch nicht aufraffen, um mich tatsächlich an meine Nähmaschine zu setzen, Stoff unter die Nadel zu legen, den Nähfuß nach unten zu klappen und - Gas zu geben!
Es ist ja nicht so, dass ich nicht mehr als genug unfertige Projekte hätten, die sich danach sehnen würden, endlich fertig gestellt zu werden. Ich könnte einfach anfangen und die Party beginnen lassen.
Da ist mein Pipes-Projekt, auf das ich tatsächlich auch recht stolz bin, obwohl noch nicht einmal das Top fertig ist. Nur noch vier Blöcke würde es brauchen, um das Quiltmittelteil abzuschließen. Dann könnte ich mit meiner fantastisch kreativen Randlösung weitermachen - "nur" neun Halbblöcke und ein Viertelblock für die Ecke und dieses zukünftige Meisterwerk wäre bereit zum Sandwichen und zum Quilten.
Aber kein Glück.
Jedes Mal, wenn ich in mein Arbeitszimmer gehe mit dem voll ausgeprägten Ehrgeiz, diese letzten Handgriffe endlich in Angriff zu nehmen, muss ich feststellen, dass irgendwas nicht stimmt. Das letzte Mal, als ich beschlossen hatte, wieder in den kreativen Sattel zu steigen, realisierte ich, dass einige der (Karton-)Schablonen, die ich mit Hilfe meiner Quilt-Entwurfssoftware ausdrucke, ersetzt werden müssten. Großes Drama. Mein Arbeitszimmer ist unter dem Dach, während der Computer mit den Schablonen drei Stockwerke weiter unten im Keller sitzt (dazwischen leben andere Menschen, nur damit Sie keine falschen Vorstellung meiner Wohnsituation bekommen).
Pfffffffffff, sämtliche Ambitionen (wieder) implodiert.

Das geht so nun schon seit Wochen und Monaten und ich bin langsam SEHR FRUSTRIERT.
Also habe ich beschlossen, mir eine Art von Selbsttherapie zu suchen, um zurück zu finden in meinen geliebten kreativen Schwung. Aber wie?
Erster Ansatz: Plane ein komplett neues, jungfräuliches Projekt und kaufe neue Stoffe.
Schlechte Idee. Da sind schon viel zu viele Projekte, die entweder angefangen, geplant oder Teil meiner kreativen Träume sind. Außerdem quillt mein Stofflager eh schon über.
Zweiter Ansatz: Gehe durch die verschiedenen Ideenbücher, sowohl die aus Papier als auch die digitalen. Sortiere und katalogisiere alle unfertigen Projekte. Denk Dir ein Punktesystem auf der Basis verschiedener Aspekte, um DAS Projekt zu identifizieren, das mir am besten helfen würde, meine Quiltblockade zu beenden.
Mittelmäßige Idee. Auch wenn das im Prinzip vielleicht eine gute Idee sein könnte, würde es Jahre dauern, all das Material zu sammeln, in ein Speichermedium konsolidieren und auf die "Fertigstellbarkeit" zu untersuchen.
Das Gleiche würde für das Ansinnen gelten, alle meine Stoffe nach Farbe, Muster und Stil zu sortieren, und sämtliches Zubehör nach der zugrundeliegenden Technik zu strukturieren. Nein, das ist wohl eher kein Therapieansatz für meine Quiltblockade, sondern eine geeignete Aktivität für einen aktiven und zielgerichteten Ruhestand, der für mich aber leider 10 - 15 Jahre weit weg liegt.
Also nichts, kein brauchbarer Ansatz in Sicht, um mich von meiner Quiltblockade zu befreien? Wirklich nirgendwo eine niederschwellige Näh-Aufwärmübung, die einigermaßen sinnvoll ist, weder zu extravaganten und unnötigen Einkäufen führt noch das Chaos verschärft, das in meinem Arbeitsraum ohnehin schon herrscht? Nichts, was man Gehirn auf Null stellt, während ich mich komplett darauf konzentrieren kann, wieder in den Schwung und in den Rhythmus meiner Nähmaschine zu kommen?
Ich schaue auf von meinem Schreibblock, dem ich diese Worte anvertraue, und versuche, gegen die wachsende Verzweiflung anzukämpfen, die sich in mir breit macht. Ich lasse meinen Blick durch mein Arbeitszimmer schweifen und suche nach einer Lösung für mein Dilemma.
Plötzlich fokussiert sich mein Blick und hakt sich an meiner Scrap Box ein. Die steht üblicherweise in der hintersten Ecke meines Arbeitszimmers, aus den Augen und die meiste Zeit auch aus dem Sinn. Gerade jetzt steht sie mitten im Zimmer, weil sie in ihrer angestammten Ecke dem Heizungsableser im Weg war.
Scraps... hm... mmmmmhmmm....
Einfach mal durch diese Box durchgraben, eine Hand voll verschiedener Formen, zufälliger Farben herausholen, kein Druck, irgendwas zu planen oder auszuhecken, einfach nur hineinspringen in diesen eigentlich abgelegten Reichtum, ein bisschen spielen, mich von den verborgenen Schätzen überraschen lassen, mein Gehirn entspannen lassen und einfach etwas MACHEN, etwas, irgendwas...
Nähmaschine, ich bin schon auf dem Weg!!!
